Großschlächterei Frank

„Immer samstags nach dem Mittagessen gehe ich für zwei Stunden zum Religionsunterricht und sonntags, gleich nach dem Frühstück, auch. Im Winter ist es immer etwas kalt, dabei bezahlt die Stadt schon dafür, dass wir es warm haben. Meine Geschwister Minna und Adolph kommen auch mit, nur Leopold und Max sind noch zu klein. Großvater erzählt uns und den Kindern der Familie Friedmann, Großmann und Katz dann ganz viele Geschichten über Gott und Abraham. Wir lernen auch alles über die Tora. Großvater sagt, dass es sehr wichtig ist, sich mit der Tora auszukennen. Die anderen Kinder aus der Schule bekommen anderen Religionsunterricht, aber weil wir Juden sind, haben wir unseren eigenen Unterricht. Der Rabbiner hat meinen Großvater angewiesen, uns die vielen Erzählungen zu lehren, damit wir stolz sein können, Juden zu sein. Mein Großvater freut sich, uns all diese Geschichten zu erzählen, denn er ärgert sich sehr darüber, dass es in Saalfeld keinen richtigen Ort zum Beten gibt. Manchmal kann überhaupt kein gemeinsames Beten stattfinden, da es in Saalfeld zu wenig Juden gibt, die zusammen beten wollen. Trotzdem gehe ich immer gerne zum Religionsunterricht, es macht mir viel Spaß, mir mit den anderen Kindern auch eigene Geschichten auszudenken.“
So hätte Richard Frank (*1874), mit ungefähr zwölf Jahren, über den Religionsunterricht seines Großvaters denken können. Ob ihm der Unterricht wirklich Spaß gemacht hat, bleibt natürlich gemutmaßt. Bestätigt ist der Religionsunterricht, durch die Aufzeichnung des Schulgeldes und der Heizkosten, in jedem Falle. Richard Frank wanderte bereits 1905 nach New York aus, seine jüngere Schwester Minna (*1877) zog nach Suhl und heiratete dort. Adolph Frank (*1880), Richards Bruder, zieht 1926 nach Fürth um. Der jüngere Bruder Leopold (*1890) verlässt Saalfeld mit nur 18 Jahren, um in Bernburg zu leben. Max Frank (*1887), der jüngste Sohn der Familie Frank, kämpfte von 1914 bis 1917 als deutscher Soldat im ersten Weltkrieg. Die Großschlächterei Frank & Weber wurde vermutlich nach dem Krieg durch den Juden Max Frank und seinen christlichen Geschäftspartner Paul Weber begründet. Die Familie Frank lebte mehrere Jahre zur Miete, bevor sie sich ihr erstes eigenes Haus in der Bahnhofstraße 11 und später in der ehemaligen Kaiserstraße 18 leisten konnte. Ob Max Frank seinen Anteil am Betrieb 1933 im Zuge der Arisierung oder durch andere wirtschaftliche Umstände verlor, ist nicht belegt. Die Schlachterei ging in jedem Falle vollständig an Paul Weber. Die Geschwister Minna, Adolph, Max und Leopold Frank zogen alle aus Saalfeld weg. Ihre Eltern verstarben in den 1930er Jahren und wurden auf dem jüdischen Friedhof in Erfurt bestattet.